[...]
Orlando öffnet die Tür des Hauses von Janet Malerin und weicht zurück und dreht sich um und blickt in den kaum noch sichtbaren Flur. Fummelt die Sonnenbrille aus dem Etui. Weiter schwarz vor Augen, Janet hat den Blick entschlossen nach draußen gewandt, was für eine Licht, incredible. Orlando berührt Janet am Arm, bye Janet, und geht die fünf Stufen vor dem Haus wieder hinunter und dreht sich um und winkt, aber Janet hat den Blick abgewandt und die Tür geschlossen. Orlando dreht sich zurück zur Straße und öffnet das niedrige Tor und ist draußen und atmet auf. Hinter dem Schutz der Brille erholen sich die schockierten Augen. Janets Haus ist wie ein kochender Kleiderschrank, dort schleicht die Müdigkeit nicht, sondern wirft sich auf Körper und Hirn und reißt beide zu Boden. Die Luft ist so heiß und sauerstoffarm, dass sie flüssig wird und ins Hirn sickert. Das gleißende Licht der Straße ist erholsam dagegen, es brennt durch die Watte, die sich im Halbdunkel des Bürgerhauses um Orlando gelegt hat. Es saugt den alten Schweiß aus den Poren und dem Hemd, frischer schwemmt nach.
Orlando sieht auf die Straße vor sich, auf das Kopfsteinpflaster ist ein Ölfleck hingeschliert. Ein gefährliches Pflaster, uneben und voller Löcher. Es denkt in Orlando: Geh doch um Gottes willen vorne bei der Wachmannstraße rüber, es haut dich noch hin. Dein Kreislauf, den ganzen Tag trinkst du keinen Tropfen. Kein Wunder. Ich habe doch getrunken, den Eistee. Nein, den hast du stehenlassen, wie Janet.
Orlando blickt auf und blickt in die Bäume gegenüber. Dort sind Schatten und eine Bank. Setz dich. Schließ die Augen.
Orlando Boeringer ist jetzt ein Mann um die dreißig
Der im Bordrestaurant
Der im Bordrestaurant des EC
Einen kartonverpackten Staubsauger fallenlässt und schreit:
Scheiße!
Orlando Boeringer hat einen großen braunen Filzhut auf
Und einen orangenen Parka an
Und darunter einen hellblauen Fleecepulli und hinkt
Hinkt aber nur ein bisschen
Und vor dem Geräusch des fallenden Staubsaugers im Karton erschrecken die Gäste des Bistros
Und wenn Orlando laut Scheiße schreit
Haben alle Angst vor ihm
Und denken: Ein Spinner
Zum Beispiel der alte Mann mit den Koteletten
Oder der junge Mann mit der ordentlichen Frisur und dem Schal
Oder die Frau die Rotwein trinkt
Oder die Frau die Weißwein trinkt
Oder die Frau die Rosé trinkt
Oder die Frau die Becks trinkt
Oder die Frau die Weißbier trinkt
Oder die Frau die Kaffee trinkt
Oder die Frau die Schwarztee trinkt
Oder die Frau die Grüntee trinkt
Oder die Frau die Rooibos trinkt
Oder die Frau die Prosecco trinkt
Oder die Frau die Rhabarberschorle trinkt
Oder die Frau die ein Coca Cola trinkt
Oder die Frau die gar nichts trinkt, aber auf einen Apfelstrudel wartet
Oder der Mann, der dem Paar neben sich von der U-Bahn in Singapur erzählt hat
Und davon, dass die deutschen Bahnhöfe die unsichersten der Welt sind
Dass sowas wie der Ubahnschubser von Frankfurt
Oder von München
Oder von Nürnberg
In Sydney nicht möglich wäre
Der Mann neben dem Paar erzählt von den Glastüren, die in Paris und London
Es völlig unmöglich machen, dass so ein Gestörter
Einen anderen ins Gleis stößt
Weil die sich überhaupt erst öffnen, und er macht mit seinen Hände eine Geste
Wie eine Glastür, die nach rechts und links sich schiebt und er sagt Bsssst
Wenn die Ubahn eingefahren ist
Dann öffnen die sich erst
Dann kommt keiner auf die Idee
Eine junge Mutter und ihr Kind
Einfach da so reinzuschubsen
Wie ein Irrer
Den man hinrichten sollte und es aber nicht kann Weil wir die ja abgeschafft haben
Die Todesstrafe
Aber verdient hätte er sie
Und Vergewaltiger auch
Orlando setzt sich hin und stellt den Staubsauger zu seinen Füßen unter den Bistrotisch
Und atmet schwer
[...]